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Kultur
18.10.2021

Schloss Zuckenriet: Alemannischer Ursprung und Kulturdenkmal

Die Süd- und Ostfront ist bereits im Endzustand, rechts der Kapellanbau von 1476. Bild: Ernst Inauen
Seit zehn Jahren wird das Schloss Zuckenriet umfassend saniert und wieder bewohnbar gemacht. Die Schlossbesitzerfamilie beabsichtigt in etwa anderthalb Jahren einzuziehen. Die abgeschlossene Neugestaltung der südlichen Fensterfront hat die Fassadenansicht gegen das Dorf verändert und lässt die Funktion der Räumlichkeiten erahnen.

Der Kauf der geschichtsträchtigen Liegenschaft im Jahr 2011 durch die jetzigen Eigentümer beendete die Unsicherheit über die Zukunft des Schlosses und wurde in der Gemeinde Niederhelfenschwil sehr begrüsst. Der miserable bauliche Zustand des alemannischen Bohlenständerbaus liess hohe Investitionskosten erahnen, hielt jedoch die neuen Schlossbesitzer nicht davon ab, das Schloss historisch nachzubauen und wieder bewohnbar zu machen. Die schlechte Bausubstanz führte dazu, dass fast 85 % des maroden Baumaterials ersetzt und neu aufgebaut werden musste. Neben dem Austausch von Ständerbohlen und Tuffsteinen wurde auch die ganze Gebäudehülle isoliert und atmungsaktiv gestaltet. „Wir gaben auch allen Räumen eine eigene historische Bedeutung, wie es in Herrschaftshäuser des Mittelalters ausgesehen haben könnte. Allerdings ist uns bewusst, dass in Zuckenriet nie eine solche Ausstattung vorhanden war, wie wir sie planen“, erklärte der Besitzer im Gespräch mit Uzwil24. Er engagierte  Martin Häberli als Architekt und Bauleiter, der langjährige Erfahrungen bei Renovationen historischer Gebäude ausweisen kann. Zusammen mit der Besitzerfamilie entwickelte er ein Sanierungsprojekt, das auch von der kantonalen Denkmalpflege genehmigt wurde. Nach dem Muster mittelalterlicher Bauhütten bei profanen und kirchlichen Bauten wurde ein kleines Team von Fachspezialisten aus dem In- und Ausland engagiert. Diese Handwerker und Künstler leisteten auch nach der Einschätzung des Denkmalpflegers Dr. Moritz Flury ausgezeichnete Arbeit.

Architekt und Bauleiter mit grosser Erfahrung

Die stilgerechte Sanierung des maroden Gebäudes und die Rückführung in einen mittelalterlichen Herrschaftssitz konnte dank dem Engagement des Toggenburger Kunstschlossers Martin Häberli realisiert werden. Seit Jahrzehnten befasst er sich mit der Renovation von antiken Häusern, sodass ihn der Schlossbesitzer als Architekten und Bauleiter verpflichtete. Häberli bestätigte denn auch, dass die Zusammenarbeit mit grossem gegenseitigem Vertrauen reibungslos funktionierte. Nach zahlreichen Recherchen im In- und Ausland erstellten der Architekt und die Bauherrschaft ein Gesamtkonzept, bei dem auch die kantonale Denkmalpflege Einfluss nahm. Weil bei der Sanierung bedeutungsvolle Veränderungen vorgenommen wurden, mussten alle Abweichungen von originalen Einrichtungen und Räumlichkeiten genau dokumentiert werden. Dies gilt auch für die markante Verstärkung der Statik und den Einbau einer neuen Steinmauer quer durch das Gebäude. Für die Renovation benötigten die Fachleute erhebliche Mengen von alten Holzbohlen und Tuffsteinen, die zum Teil aus dem benachbarten Ausland besorgt werden mussten. Neu wurden in der Westwand eine Gaube errichtet, neue Kaminzüge erstellt und über der Kapelle ein kleines Glöcklein angebracht. Die moderne Haustechnik, die Bodenheizung und andere zeitgemässe Einrichtungen wurden abgedeckt, um das antike Gesamtbild nicht zu stören. Häberli begründet die lange Bauzeit damit, dass ein Unterbruch von knapp zwei Jahren wegen der Verpflichtung des gesamten Teams bei der Renovation eines alten Herrschaftshauses in Lichtensteig stattfand.

Bauleiter und Architekt Martin Häberli plante zusammen mit der Besitzerfamilie das Sanierungsprojekt. Bild: Ernst Inauen

Authentische, historische Innenausstattung

Zwei Jahre nach dem Bau des Schlosses wurde 1476 auf der Ostseite  eine Kapelle angebaut und den 14 Nothelfern geweiht. Sie weist eine original gotische Decke auf, die als wertvollster Bauteil aus der ursprünglichen Entstehungszeit gilt. Die zwei gotischen Sandsteinfenster wurden bei der Renovation mit farbenprächtigen Glasbildern ausgestattet. Beim Sanierungskonzept setzten die Planer die Idee um, die Gestaltung nach Vorbildern des Mittelalters zu realisieren.  So steht nun im Kellergeschoss zum Beispiel eine alte Obstpresse und im ersten Zwischentrakt eine vollständig eingerichtete und nutzbare Schmiedewerkstatt, in der historische Türen, Schlösser und andere Schmiedegegenstände hergestellt werden. Zwei kleinere Räume sind als Bibliothek und als Apotheke ausgestattet. In den Wohnräumen stehen prachtvolle, nachgebaute Kachelöfen und eine historisch zusammengestellte Innenausstattung sorgt für ein stolzes ritterliches Ambiente. Eine besonders vornehme Note geben dem Schloss die grosse und die kleine Bohlenstube. Eine Augenweide ist auch das komplett erneuerte Krüppelwalmdach, das mit Biberschwanzziegeln abgedeckt ist. Zu 90% sei noch das alte Gebälk verwendet worden, informierte Bauleiter Martin Häberli. Nach Beendigung der Renovationsarbeiten wird die Besitzerfamilie voraussichtlich Ende 2022 in das Schloss einziehen und es ganz privat nutzen.

Ein authentisch eingerichteter Wohnraum ist die obere Bohlenstube. Bild: Ernst Inauen
In mehreren Räumlichkeiten stehen nachgebaute Kachelöfen. Bild: Ernst Inauen
Ein schlichtes Schmuckstück ist die Kapelle mit einer Holzdecke aus der Bauzeit. Bild: Ernst Inauen
Die Lage des Schlosses ermöglicht einen imponierenden Blick über das Dorf und die Region. Bild: Ernst Inauen
Ernst Inauen