Auf dem schmalen Grat zwischen Kunst und Künstlichkeit
«Buying the dips» ist ein Begriff aus der Börse und beschreibt die Anlegerpraxis, dann einen Vermögenswert zu kaufen, wenn er an Wert verliert, um ihn dann wieder zu verkaufen, wenn der Preis einen neuen Höchststand erreicht hat. Es kann also gut sein, dass man als Investor einen langen Atem braucht, um ans Ziel zu gelangen. Doch kann sich der mitunter lohnen.
Lohnend ist auch der Besuch der gleichnamigen Ausstellung Silvio Faietas, die gegenwärtig in der Galerie am Gleis in Uzwil gezeigt wird. Der in Lichtensteig aufgewachsene und nun in Zürich lebende und arbeitende Kunstschaffende, geht in vielen seiner Werken der Frage nach, wann etwas an künstlerischen Wert gewinnt oder verliert? Ist eine aus hellgrüner Folie und angedeuteten Plastikblumen bestehende «Wiese», wie sie als Installation in der Galerie am Gleis gezeigt wird, ein geeigneter Ersatz für das weitgehend verlorene «Naturgefühl» einer Generation, die sich lieber im Alltag in virtuellen Kunstwelten aufhält als auf eine Alp? Wo liegt die Grenze zwischen Trash und Tradition?
Reizüberflutung pur – Popcorn inklusive!
Tradition in Bezug aufs Kino heisst, dass beim Besuch eines Lichtspieltempels eine Tüte Popcorn einfach dazugehört. Also bietet Faieta auch solches bei seiner Arbeit «Pay TV» an. Einer 4-Kanal-Videoinstallation. Hier hat der Künstler aus dem Internet (Werbe-)Filmschnipsel zusammengetragen und wirft sie gleichzeitig in den vier Kategorien «Horror», «Blockbuster», «Sport» und «Männerfreundschaften» an die Wände des Vorführraumes, der durch einen dichten, schwarzen Vorhang komplett vom übrigen Ausstellungsraum abgetrennt ist. Ein grosses «FSK 18»-Zeichen zeigt an, dass diese Ecke der Ausstellung nur Erwachsenen zugänglich ist. Und das ist gut so. Denn die Bilder und Geräusche, die von diesem Raum ausgehen, sind verstörend, dringen sie doch von allen Seiten auf einen ein. Auch wenn man sich nur auf einen «Film» konzentrierte, «umgeben» einen doch gleichzeitig vier Filme - was ebenso faszinierend wie auch kaum auszuhalten ist. Silvio Faieta führt hier den Besucherinnen und Besuchern kompromisslos vor Augen, wie schädlich ein unkritischer Medienkonsum fürs Individuum ist.
Konsum scheint für Silvio Faieta ein Reizwort zu sein. Das wird auch in der Installation «Going round» deutlich, von der die künstliche Blumenwiese ein Teil ist. Der andere setzt sich noch stärker mit den Ausprägungen und den Auswirkungen des menschlichen Konsum auseinander. Zum einen legt Silvio Faieta hier «Möbelkataloge» und «Lookbooks» auf, die er auf Streifzügen durch Metropolen mit scheinbar wertlosen, vergessenen oder gar achtlos weggeworfenen «Dingen» bestückt hat. Somit misst er diesen einen Wert zu, den sie garantiert für die meisten Menschen in unserer konsum- und wegwerforientierten Gesellschaft wohl nie gehabt haben und wohl auch nie mehr haben werden. Und in schwarz-weissen Prints dekonstruiert der Künstler Markenprodukte. Auch hier weiss man nicht, was es einst war, was heute dem Auge des einen Betrachters als Gebirge, dem anderen als Baum mit Früchten daherkommt. Aber eines ist sicher: «Buying the dips» ist eine Ausstellung mit Tiefgang, die es sich lohnt, sie anzuschauen.
Zu sehen ist die Ausstellung noch bis und mit dem 17. Dezember. Und das zu folgenden Zeiten: Mittwoch 9:00 - 11:00 Uhr, Donnerstag 18:00 - 20:00 Uhr, Samstag 16:00 - 19:00 Uhr und Sonntag 14:00 - 17:00 Uhr