Wann genau ein historisches Wappen entstanden ist, warum es so ist, wie es ist, was mögliche Alternativen gewesen wären: Das liegt oft hinter dem Schleier der Geschichte verborgen – oder ist Stoff für Legenden. Die Geschichte des Wappens der Gemeinde Uzwil hingegen ist bis ins letzte Detail dokumentiert. Sie begann am 12. Februar 1935.
Wappensuche
Regierungsrat Ruckstuhl, Leiter des damaligen kantonalen Innen-Departementes, erklärte an diesem Tag den Gemeinden in seinem Kreisschreiben, dass er eine Kommission aus Historikern, Heraldikern und Genealogen gebildet habe. Ziel dieser kantonalen Wappenkommission sei, die Wappen der Gemeinden zu sammeln, zu erforschen, festzulegen und nötigenfalls neu zu schaffen. Für die Gemeinde Henau war es ein Leichtes, den beigelegten Fragebogen zu beantworten: ihre Antworten endeten bereits bei der ersten Frage – «führt die Gemeinde bereits ein Wappen» – mit einem dicken, knappen NEIN. Auch spätere Nachforschungen führten zu keinerlei Hinweisen auf ein historisches Wappen in einem der Dörfer der Gemeinde.
Wappendesign
Die Wappenchronik weiter: «Damit war nun die Angelegenheit keineswegs abgetan, sondern im Gegenteil – nun begann die lange Entstehungsgeschichte des Henauer Wappens mit ihrem Auf und Ab, mit ihrem zähen Ringen zwischen zwei Auffassungen, welche sich hart auf hart gegenübertraten, bis es schliesslich sogar zum offenen Kompetenzkonflikt zwischen besagter Wappenkommission und der Gemeinde Henau kam.» Der Konflikt baute sich Schritt für Schritt auf. Die Gemeinde beauftragte die kantonale Wappenkommission, ihr Vorschläge für ein Wappen zu unterbreiten. Dann begann das Warten. Jahre des Wartens. Im Januar 1942 schliesslich erhielt die Gemeinde einen Brief der Wappenkommission mit drei Vorschlägen fürs Wappen. Sie symbolisierten das Thema Industrie und Landwirtschaft und waren in Silber und Grün gehalten, teils mit etwas Gold und Schwarz. Nachdem die Kommission Jahre brauchte, um diese Vorschläge zu unterbreiten, bat sie im Brief um «beförderliche» Prüfung und Beschlussfassung, welches der drei Wappen die Gemeinde denn gerne hätte.
Unzufrieden
Der Henauer Gemeinderat war mit den drei Vorschlägen nicht glücklich. Keiner befriedigte ihn. Und er nahm deshalb das Zepter selber in die Hand und beauftragte den einheimischen Kunstmaler Ernst Gämperli, Vorschläge auszuarbeiten. Geprägt von den zu Kriegszeiten, wie die Chronik festhält «überdringlichen und fast übermenschlichen Anstrengungen unserer Bauernschaft für die Sicherstellung unserer Ernährung» war dabei für den Rat klar: Die Landwirtschaft gehört ins Wappen. Gämperli unterbreitete ganz unterschiedliche Gestaltungsideen. Eine davon: Die Symbole von Ähren und Werkrad, gehalten in den Toggenburger Farben Gold und Schwarz. Diese Skizze wollte der Henauer Rat genauer ausgearbeitet haben. Gämperli machte sich an die Arbeit und unterbreitete drei Varianten. Alle waren in Schwarz und Gold gehalten und hatten Werkrad und Ähren als Symbole für die Industrie und die Landwirtschaft.
Überraschende Einigung
Der Henauer Rat war mit der Arbeit zufrieden und unterbreitete die drei Vorschläge der Wappenkommission. Auch in St. Gallen sah man die Qualität der neuen Vorschläge und schlug vor, eine Kombination aus den ursprünglichen und neuen Vorschlägen weiterzuverfolgen und sich dazu zusammenzusetzen. Und so trafen sich am 5. Dezember 1942 um 14.15 Uhr im Bahnhofbuffet II. Klasse in St. Gallen die Delegationen von Gemeinde und Wappenkommission. Dabei wurden die Henauer Vorschläge zuerst nach Strich und Faden zerzaust. Die Henauer Delegation schlug schliesslich vor, die Toggenburger Farben Schwarz und Gold in Gämperlis Vorschlägen zu ersetzen durch Blau für den Hintergrund in Anlehnung an das Wasser der Uze, Gold für die Ähren als Symbol der Landwirtschaft und Silber für das Werkrad als Symbol der Industrie. Und sie schlug auch vor, sich für die Variante mit den aufrechten drei Ähren zu entscheiden. Man kanns ja versuchen. Zum grossen Erstaunen der Henauer Delegation fand dieser Vorschlag Zustimmung.
Gutachten von Walther ab Hohlenstein
Damit war es aber nicht vorbei. Anschliessend tat sich ein Streit auf darüber, wer den definitiven Wappenentwurf zeichnet – und in Kraft setzt. Für die kantonale Wappenkommission kam nur in Frage, dass sie ihren Künstler damit beauftragt, dessen Wappen für Henau absegnet und die regierungsrätliche Zustimmung dazu einholt. Damit wiederum war der Henauer Gemeinderat nicht einverstanden. Ein von der Gemeinde eingeholtes Gutachten bei Historiker und Heraldiker Walther ab Hohlenstein auf Schloss Schwarzenbach kam schliesslich zur Überzeugung: Ein Wappen anzunehmen, ist in der alleinigen Hoheit der Gemeinde. Weder die kantonale Wappenkommission noch die kantonale Regierung hätten da mitzureden. Hohlenstein nahm dann gleich auch letzte Modifikationen am Wappenentwurf vor und verfasste den passenden Wappenspruch dazu. Im März 1943 informierte Henau die Wappenkommission, auf dem Recht der Gemeinde zu beharren, ihr Wappen selber festzulegen. Eine Antwort darauf ging nicht mehr ein. Henau hatte sich durchgesetzt.
Autonomer Entscheid
Und so verabschiedete der Gemeinderat im Mai 1943 das neue Henauer Wappen. Die ausserordentliche Bürgerversammlung vom 6. Juni 1943 «welche vormittags 10 Uhr 45 in der alt-ehrwürdigen Pfarrkirche St. Sebastian’s zu Henau zusammentrat» erhob das neue Wappen einstimmig zum Beschluss. Die Henauer Wappenchronik schliesst – auch mit Blick auf die damals schwierige Zeit mitten im zweiten Weltkrieg: «Damit besitzt nun unsere Gemeinde nicht nur ein Hoheitszeichen, welches in seiner lichten, frohen Bildkraft jeden Fachmann entzückt und jeden Gemeindegenossen in der Heimat und in der Ferne heute und fürderhin mit innerem Stolz erfüllen darf; sondern zugleich ein Dokument, das auch noch in später Zukunft davon zeugen wird, dass wir bei aller schweren Sorge und Mühe und Plage unserer heutigen bitteren Tage dennoch den Willen und Sinn für die Würde und Schönheit unseres Hoheitszeichens als äusseren Symbols für die Lebenskraft unserer Gemeinde nicht verloren haben.» Und so flattert dieses Hoheitszeichen selbstbewusst und würdevoll ganz oben auf dem Uzwiler Gemeindehaus im Wind.