Der Schweizer KMU-Tag ist seit Jahren das Flaggschiff des KMU-HSG Instituts der Universität St.Gallen und einer der grössten Anlässe seiner Art. Aufgrund der verschärften Covid- Massnahmen des Bundesrates musste er jedoch kurzfristig abgesagt und um ein Jahr verschoben werden. Im Gespräch erklärt Gastgeber Tobias Wolf, was den Ausschlag für die Absage gab und was es aus seiner Sicht für die Zukunft des Prestige-Anlasses und grössere Veranstaltungen bedeutet.
Text: Tanja Millius
Tobias Wolf, die verschärften Covid-Massnahmen erwischten das Organisationskomitees des KMU-Tages offensichtlich auf dem falschen Fuss ... Was waren die Hauptgründe, den Anlass kurzfristig abzusagen?
Die Ansage aus Bern am Sonntagnachmittag vor dem KMU-Tag, dass wir die Besucher in Gruppen à je hundert Gäste hätten einteilen sollen. Die Vorgabe bis dahin war, dass es Gruppen à je dreihundert hätten sein sollen, und darauf waren wir vorbereitet, alles schön aufgeteilt in drei Gruppen, blau, gelb und rot; auch für das Mittagessen, die Pausen und den Apéro hatten wir ein Konzept. Die zwingende Einteilung in Hundertergruppen, die sich auf keinen Fall vermischen dürfen, war organisatorisch kurzfristig nicht zu stemmen. In unserem Konzept hätten wir jeden Gast mit einer RFID-Chip ausgerüstet, die das ortsgenaue Tracing gewährleistet hätte. Zudem hätten wir die Fläche im Veranstaltungssaal verdoppelt, um alle Abstände zwischen den Teilnehmern zu wahren. Aber es hat nicht sollen sein.
Hand aufs Herz: Wie lange haben Sie noch daran geglaubt, dass Sie den Grossanlass trotz Corona durchführen können? Die Organisatoren der «Fussballnacht», die traditionell am Samstag nach dem KMU-Tag stattfindet, haben schon im Mai entschieden, diese heuer abzusagen …
Wir sind – nachdem wir im März schon drei Szenarios vorbereitet hatten – bewusst das unternehmerische Risiko eingegangen – wie das zur DNA von KMU-Organisationen gehört. Und von Mitte September bis Mitte Oktober konnten Events wie der unsere stattfinden. Am Ende hatten wir terminlich einfach Pech bzw. waren eine Woche zu spät dran mit unserem traditionellen Termin: Wir haben tatsächlich bis zur bundesrätlichen Pressekonferenz am Sonntagnachmittag noch gebrannt dafür, dass wir’s «machen» können; die Tagungsdokumentationen waren vorbereitet und die knapp tausend Portionen Filet-Gulasch Stroganoff quasi schon in der Pfanne. Ein schöner Sonntag war das also wirklich nicht.
Andere Veranstalter planten und planen ihre Veranstaltungen aufgrund der unsicheren Covid-Situation hybrid, also eine Mischform zwischen Teilnehmern vor Ort und via Livestream, so der WTT Young Leader Award, der im Dezember stattfindet. Hatten Sie sich das auch als Variante überlegt?
Unseren Gästen haben wir auch für die Durchführung 2020 die Möglichkeit angeboten, lediglich digital am KMU-Tag teilzunehmen. Diese Option haben nur sehr wenige gebucht. Neben dem Inhalt auf der Bühne zählt bei Veranstaltungen wie dem Schweizer KMU-Tag am Ende halt doch das Sich-Treffen. Sich auszutauschen ist nach wie vor ein grosses Bedürfnis, und wir hätten es in den erwähnten Hunderter- Gruppen nicht erfüllen können. Aber ja, wir hatten uns in einem Szenario tatsächlich überlegt, den KMU-Tag rein digital durchzuführen. Nach intensiver Diskussion kamen wir aber zum Entschluss, dass wohl nur wenige KMU-ler Lust haben, einen Freitag lang in den Laptop zu schauen.
Mit über 800 Teilnehmern ist der KMU-Tag einer der grössten seiner Art. Wie gut lässt sich die Absage finanziell verschmerzen?
Wir bleiben auf einem rechten Batzen Aufwand hocken. Einerseits haben wir die bereits geleisteten Aufwendungen unserer Lieferanten abgegolten, andererseits waren die von uns Organisatoren aufgewendeten Stunden nun leider auch grossteils umsonst. Mit den Teilnehmern sind wir so verblieben, dass ihre Eintritte für die nächste Durchführung gültig bleiben. Wenn dann jemand nicht kann oder nicht will, dann sind wir selbstverständlich kulant, dafür sind wir bekannt. Gleiches gilt für die Sponsoren, ihr Engagement zieht sich nun über zwei Jahre. Unser Glück ist es, dass die allermeisten Beteiligten sehr langjährige Partner sind – wir alle haben das allergrösste Interesse daran, dass wir nächsten Jahr wieder in alter Frische vor Ort sind und uns mit einem Hammer-Anlass zurückmelden.
Und wie fielen die Reaktionen der Teilnehmer auf die Absage aus?
Böse war uns niemand. Die meisten Reaktionen waren: «Schade, aber wir verstehen euren Entscheid.» Vielleicht war ja der eine oder die andere froh, wenn sie oder er durch die Absage unverhofft zu einem freien Freitag gekommen ist (lacht).
Apropos nächstes Jahr: Was ist die grösste Herausforderung hinsichtlich der Planung des nächsten KMU-Tags – gibt es ein neues Konzept, vielleicht mit einem Worst-Case-Szenario, falls uns Corona dann immer noch beschäftigen sollte?
Soweit haben wir das noch nicht durchgedacht, ist vielleicht auch noch zu früh, sich darüber den Kopf zu zerbrechen. Und ehrlich gesagt haben wir im OK auch keine Lust, wieder über ein solches Worst-Case-Szenario nachzudenken – der Schock der Absage sitzt noch zu tief. Wir werden jedoch sicherlich bald den Mut und die Zuversicht wieder aufbauen, die wir bis am besagten Sonntagnachmittag hatten.
Werden dabei auch Hybrid-Varianten geprüft?
Unser Hauptziel ist die Durchführung des KMU-Tags in seiner bisherigen grossen Form, mit Durchmischung der Gäste und Nähe zueinander. Irgendwann sollte das wieder gehen, und dann haben wir doppelt Freude daran. Mit anderen Worten: Nein, derzeit glauben wir nicht an hybride Formen.